wir haben einen umfangreichen Leitfaden zur klimaangepassten Bauleitplanung vorliegen. Und wer ihn liest, erkennt: Es steht alles drin, was wir brauchen, um verantwortungsvoll mit unseren natürlichen Ressourcen Klima, Wasser Boden Luft umzugehen – . Es ist ein Werkzeugkasten voller durchdachter Ansätze, differenziert bewertet – von „günstig“ über „erschwerend“ bis hin zu „erheblich erschwerend“.

Aber das Entscheidende ist:
Wir halten uns bisher nicht ausreichend daran.

Der Leitfaden liest sich gut, aber in der Realität wird er nur selektiv berücksichtigt. Ein eklatantes Beispiel: das Baugebiet Hintere Muld.
Nach allem, was der Leitfaden vorsieht, dürfte ein solches Gebiet nicht zur Bebauung freigegeben werden. Denn es rückt zu nah an einen bestehenden landwirtschaftlichen Betrieb heran – mit der Folge, dass deren Fortbestand gefährdet wird. Das ist kein Kollateralschaden, das ist struktureller Zielkonflikt. Landwirtschaft ist keine Flächenreserve, sondern Daseinsvorsorge – ökologisch und ökonomisch.

Ebenso gravierend ist das Thema Wasser in der Fläche. Wir alle wissen: Regenwasser darf nicht mehr schnell abgeleitet, sondern muss zurückgehalten werden – zur Grundwasserneubildung, zur Abkühlung des Mikroklimas, zur Dürrevorsorge. Stichwort Schwammstadt.
Und dennoch sehen wir weiterhin eine Siedlungspolitik, die mit jedem neuen Baugebiet die Flächenversiegelung vorantreibt – ohne flächendeckend Retentionsräume oder durchlässige Böden einzuplanen.

Ein weiterer Punkt, der uns zunehmend beschäftigen muss, ist die Anbindung an nachhaltige Wärmesysteme.
Der städtebauliche Entwurf sollte eigentlich der zentrale Hebel für die klimagerechte Gestaltung eines Neubau Quartiers sein.
Sollte.

Aber was sehen wir tatsächlich?
Wir leisten uns Neubaugebiete, die nicht an ein Wärmenetz angeschlossen sind – und bei denen auch nicht vorausschauend geplant wird, wie und wann eine solche Anbindung erfolgen soll.
Ob in den Allmendäckern im Bereich Westlich Hauptbahnhof, oder beim Mehrgenerationenhaus:
Hier wird gebaut – aber nicht klimazukunftsfähig. Wer heute neu baut, ohne die Anbindung an ein Wärmenetz mitzudenken, handelt nicht im Sinne der Energiewende. Das ist nicht zukunftstauglich, das ist mutlos.

Und dann ist da die sommerliche Hitze, die uns jedes Jahr stärker beschäftigt.
Wir wissen, wie wichtig Frischluftschneisen vom Odenwaldhang in die Rheinebene sind.
Und wir wissen auch: Diese Luftschneisen funktionieren nur, wenn sie freigehalten werden. Wenn sie nicht zugebaut, nicht eingeengt und nicht verschattet werden. Die Durchlüftung der Ebene ist lebenswichtig für die Stadt – und das muss in künftigen Planungen eine weit höhere Priorität bekommen. Auch hier dürfen wir nicht nachträglich „nachjustieren“, sondern müssen von Anfang an richtig planen.

Ein zentrales Thema – gerade auch aus Sicht der Ortschaftsräte – ist die Mobilität im Quartier.
Wenn wir von klimagerechter Stadtentwicklung sprechen, dann gehört dazu eine Mobilitätspolitik, die den Kindern z.B. sichere Wege ermöglicht – ohne das Auto der Eltern bewegen zu müssen.
Das fordern wir seit Langem, auch in den Ortsteilen. Es geht um mehr als Verkehr: Es geht um Selbstständigkeit, um Teilhabe, um Klimaschutz im Alltag.
Ein klimagerechtes Quartier ist kein reines Bauprojekt – es ist ein Lebensraum mit sozialen und ökologischen Qualitäten. Und dazu gehört eine klare Priorisierung nachhaltiger Mobilität von Anfang an.

Im Zuge dessen sehen wir auch, dass dem städtebaulichen Vertrag zunehmend eine Schlüsselrolle zukommt.
Denn: Die Landesbauordnung – das müssen wir leider feststellen – fasst das Thema Klimaschutz noch nicht ausreichend in Gesetzesform.
Deshalb kommt es umso mehr auf das an, was wir vor Ort in unseren Verträgen festlegen:
Welche Standards, welche Energieversorgung, welche Mobilitätsangebote, welche Maßnahmen zur Hitzevorsorge verpflichtend umgesetzt werden müssen.
Wo das Gesetz noch hinterherhinkt, müssen wir als Kommune mutiger vorangehen.

Ein zusätzlicher Punkt betrifft die städtebaulichen Wettbewerbe.
Wenn Wettbewerbe ausgelobt werden – dann darf es nicht mehr genügen, wenn im Preisgericht eine einzelne Stimme für Klima- und Umweltaspekte spricht.
Das ist zu wenig.
Klimagerechte Stadtentwicklung muss das zentrale Kriterium sein. Und das beginnt bei den Auslobungstexten und der Besetzung der Jurys. Der Klimaschutz darf nicht symbolisch vertreten sein – er muss maßgeblich sein.

Und schließlich stellt sich die grundlegende Frage:
Wo liegen die Grenzen des Wachstums für eine Stadt wie Weinheim?
Wie viel Verdichtung, wie viel Neubau, wie viel Inanspruchnahme von Natur- und Erholungsräumen ist noch verantwortbar?

Wir müssen das Gleichgewicht bewahren zwischen städtischer Entwicklung und offenen Landschaftsräumen, die Luft, Wasser und Erholung bringen. Das ist kein romantischer Gedanke – das ist schiere Notwendigkeit in Zeiten des Klimawandels.

Mein Appell an Sie alle:
Lassen Sie uns endlich ernst machen mit klimaangepasster Bauleitplanung.
Lassen Sie uns Leitfäden nicht nur zitieren, sondern konsequent anwenden.
Lassen Sie uns Wärmenetze, Frischluftschneisen, Regenwassermanagement, sichere Wegebeziehungen und Mobilitätskonzepte nicht als Randthemen, sondern als zentrale Planungsgrundlage verstehen.

Wenn wir wollen, dass unsere Stadt auch in 20 oder 30 Jahren noch lebenswert ist, dann müssen wir jetzt klimagerecht, umsichtig und entschlossen handeln.